Pressespiegel KW 41-2015

In einer Rückblende haben Finja Seroka und Boris Ludwig die wichtigsten Ereignisse, die in der vergangenen Woche in der deutschen Presse zu lesen waren, für unsere Leser zusammengefasst.
Flüchtlingspolitik in Deutschland (Süddeutsche Zeitung, ZEIT)Dieses Jahr kommen rund eine Millionen Flüchtlinge nach Deutschland – die meisten von ihnen haben sich registrieren lassen, ein Teil aber auch nicht. Rund 300.000 der neuen Flüchtlinge haben bisher einen Antrag auf Asyl gestellt. Damit hat sich der Flüchtlingsstrom im Vergleich zu 2014 vervierfacht und stellt Deutschland vor neue Herausforderungen – gesellschaftlich und politisch.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im September erklärt, dass es keine Obergrenze auf Asyl geben könne. Genau so eine fordert nun CSU-Parteichef Horst Seehofer. Er droht mit einer Verfassungsklage, sollte die Bundesregierung den Zuzug nicht begrenzen. Denn die Handlungsfähigkeit der Länder sei gefährdet. Seehofer hat außerdem angekündigt, notfalls an den Außengrenzen des Freistaats Flüchtlinge direkt abzuweisen. Die Sicherung der Grenzen liege in der Hand des Bundesinnenministeriums und damit in Berlin, nicht in München, wiegeln andere Politiker ab.
Allerdings kritisieren mittlerweile auch Sozialdemokraten den Kurs der Bundeskanzlerin: Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnen in einem Spiegel-Interview: „Wir können nicht dauerhaft in jedem Jahr mehr als eine Million Flüchtlinge aufnehmen und integrieren.“ Die Hilfsbereitschaft der Deutschen dürfe nicht überfordert werden. Besorgniserregend ist deswegen vor allem eine Zahl des Bundesinnenministeriums: Dieses Jahr gab es 490 Übergriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte, mehr als doppelt so viele wie vergangenes Jahr.
Bundeskanzlerin Merkel hat in der Sendung bei Anne Will ihre Asylpolitik diese Woche hingegen leidenschaftlich verteidigt. Die Deutschen hätten die besten Voraussetzungen, um diese Krise zu bewältigen. Merkel hat die Flüchtlingsfrage zur Chefsache gemacht: Seit dieser Woche koordiniert das Kanzleramt um Peter Altmaier den Zuzug und nicht mehr das Bundesinnenministerium um Thomas de Maizière.
Währenddessen diskutieren die Staatschefs der Europäischen Union weiter über eine gemeinsame Flüchtlingspolitik. Unter Anderem ist ein Flüchtlingssoli im Gespräch – damit sollen die Ursachen in den Herkunftsländern bekämpft werden. Über eine gerechtere Verteilung streiten die Regierungsvertreter weiterhin.
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Phantom-Opfer erhielt Schmerzensgeld (MDR)
Im NSU-Prozess am Münchner Oberlandesgericht hat ein Anwalt der Nebenklage offenbar seit Monaten ein Opfer vertreten, das es nicht zu geben scheint. Im Rahmen der Beweisaufnahme wurde die Klage einer Meral Keskin zugelassen – eine offenbar erfundene Person, wie sich letzte Woche herausstellte. Ein in ihrem Namen vorgelegtes Attest war beinahe wortgleich mit dem eines weiteren Nebenklägers, Attila Ö., der beim Nagelbombenanschlag in Köln im Jahr 2006 zu Schaden gekommen war. Der Anwalt des Phantom-Opfers, der auch Attila Ö. im Prozess vertritt, legte sein Mandat nieder, war für weitere Aussagen aber nicht zu sprechen. Die Anwälte der Angeklagten Beate Zschäpe versuchen, mit diesem Vorgang nun den zuständigen Richter zu diskreditieren und haben eine Erklärung des Vorfalls beantragt. Der Prozess verzögerte sich diese Woche entsprechend.
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Neues zur Energiewende (FAZ, Wirtschafts Woche)
Mit zwei richtungsweisenden Entwicklungen hat in der vergangenen Woche die deutsche Energiewende weiter Gestalt angenommen. Der Bundestag beschloss zunächst, die noch zu errichtenden Stromtrassen, die Windstrom vom Norden in den Süden transportieren sollen, in großen Teilen unter der Erde zu verlegen. Um den Verlauf und die Gestaltung der sogenannten „Monstertrassen“ hatten Bürgerinitiativen vor allem im Süden Deutschlands jahrelang gekämpft. Der Bau war damit jahrelang verzögert worden. Bayerns Ministerpräsident Seehofer, der die überirdischen Trassen mit allen Mitteln verhindern wollte, sprach von einem „epochalen Erfolg“. Die Mehrkosten für die Verkabelung unter der Erde wurden in einem Gutachten mit drei bis acht Milliarden Euro beziffert – Geld, das über erhöhte Leitungspreise erwirtschaftet werden soll.
Neue Entwicklungen auch in der Atomindustrie. Ein sogenannter „Stresstest“ sollte in der vergangenen Woche die finanziellen Rücklagen der vier großen Energiekonzerne beleuchten. Laut einem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten besitzen die Konzerne demzufolge genügend Geld, um den Rückbau ihrer stillgelegten Atomkraftwerke selbstständig und ohne staatliche finanzielle Hilfe durchzuführen.
Die Opposition kritisierte das Ergebnis dieses Gutachtens allerdings und forderte, der Staat solle das vorhandene Geld nicht bei den Konzernen liegen lassen, sondern auch sicher stellen. Die Grünen fordern einen öffentlichen Fond, in den die Kraftwerksbetreiber einzahlen. So sei der Staat auch vor der Pleite von Konzernen oder schwindenden Rücklagen geschützt.
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Volkswagen-Skandal wird immer größer (Tagesschau, ZEIT, volkswagen.de)
Der Mythos Volkswagen liegt am Boden - das schreibt ein ZEIT-ONLINE-Redakteur und ist sich damit mit vielen seiner Medienkollegen einig. Die negativen Schlagzeilen über den deutschen Automobilkonzern reißen nicht ab. So musste diese Woche der VW-USA-Chef Michael Horn vor dem Kongress in Washington aussagen: Horn entschuldigte sich und sagte, er habe von den manipulierten Abgasmessungen erst kürzlich erfahren. Währenddessen hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Büros in Wolfsburg durchsucht. Der Konzern hat selbst am 23. September Strafanzeige erstattet. In Zukunft soll es einen Aufsichtsratsposten geben, der sicher stellt, dass alle Vorgaben eingehalten werden. Vorsitzender des Gremiums ist seit dieser Woche Hans Dieter Pötsch, der bisher für die Finanzen verantwortlich war.
Bei einer Kontrolle in den USA fanden Prüfer Mitte September heraus, dass VW die Abgaswerte verschiedener Modelle mit einer Software manipuliert. Weltweit sind rund elf Millionen Wagen betroffen. Martin Winterkorn ist als Vorstandschef zurückgetreten. Matthias Müller steht nun an der Spitze und soll gemeinsam mit Pötsch das Unternehmen wieder stabilisieren.
Ab Januar startet VW eine Rückrufaktion für die betroffenen Modelle.
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Großdemo gegen TTIP (FAZ)
Mindestens 150.000 Menschen protestierten am Samstag in Berlin gegen das geplante Freihandelsabkommen mit den USA (kurz TTIP) und Kanada (Kurz CETA). Sie kamen aus ganz Deutschland und zogen gemeinsam vom Hauptbahnhof bis zur Siegessäule – in einem Fahnen- und Plakate-Meer. Dabei kritisieren sie vor allem den Einfluss amerikanischer Konzerne auf die Politik. Sie sehen durch TTIP und CETA soziale und ökologische Standards in Gefahr. 170 Organisationen hatten den Protestmarsch organisiert.
Seit Juli 2013 verhandeln Vertreter der USA und der Europäischen Union über TTIP. Der Widerstand in der breiten Bevölkerung ist enorm. Die Industrie und auch die Bundesregierung werben hingegen für das Abkommen.
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Von: Boris Ludwig und Finja Seroka – (Almanya Bülteni)