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 22/12/2020

Vorsicht beim Überholen

Vorsicht beim Überholen

Beim Überholen im Verkehr ist aufgrund der erhöhten Gefahren besondere Vorsicht geboten. Es stellt sich nun folgende Frage: Wer muss eigentlich haften, wenn zwei Verkehrsteilnehmer aus einer Kolonne zum selben Zeitpunkt einen Überholvorgang starten und einen Unfall verursachen?
Verkehrsteilnehmer müssen beim Überholvorgang eine erhöhte Sorgfalt aufbringen. Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz (Az.: 12 U 885/19) zeigt, dass die gesamte Situation berücksichtigt werden muss, um zu beantworten, wie die Haftung bei einer Kollision von zwei Fahrzeugen aus einer Kolonne während eines Überholvorgangs ausfällt. Maßgeblich sei hierbei, ob der Rückschaupflicht eines Verkehrsteilnehmers eine höhere Bedeutung zukommt als einem Überholvorgang bei unbestimmter Verkehrssituation.
Folgender Sachverhalt wurde verhandelt: Ein Auto fuhr besonders langsam auf einer Landstraße. Ein Überholvorgang war nicht möglich, da es ein Überholverbot gab und die geografischen Umstände ein Überholen nicht zuließen. Daraufhin entstand eine Kolonne aus einem Pkw und zwei weiteren Motorrädern.
Eine Möglichkeit zum Überholen bot sich an, als die Kolonne auf eine weitere Straße wendete. Die Motorradfahrer ließen sich diese Möglichkeit nicht entgehen und legten los, um zu überholen. Zeitgleich (konkret zu dem Zeitpunkt, als die Motorradfahrer unmittelbar neben ihm fuhren) setzte aber auch der PKW-Fahrer zum Überholen an.

HÖHERE SORGFALT GEBOTEN FÜR ALLE BETEILIGTEN

Es kam zu einer Kollision zwischen den Verkehrsteilnehmern. Ein Motorradfahrer stellte einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch gegen den PKW-Fahrer als Unfallverursacher. Der PKW-Fahrer wurde als Unfallverursacher dargestellt, da er den Überholvorgang ohne Vergewisserung über die gegenwärtige Verkehrssituation gestartet hätte. Die Versicherung des PKW-Fahrers verwehrte jedoch die Zahlung mit der Begründung, dass die Motorradfahrer bei unbestimmter Verkehrslage überholt hätten.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Verantwortung zu zwei Dritteln beim Motorradfahrer und zu einem Drittel bei dem PKW-Fahrer liege. Es sei damit zu rechnen gewesen, dass auch der PKW-Fahrer bei nächster Möglichkeit überholt hätte.
Auch der PKW-Fahrer hätte aber auch nicht die gebotene Sorgfalt beim Überholen an den Tag gelegt. Wenn der PKW-Fahrer einen sorgfältigen Schulterblick vorgenommen hätte, dann hätten die Motorradfahrer gesehen werden können.

Von: Sevinç Onart – (Almanya Bülteni) – Düsseldorf
Foto: (AA)