Erfolgsgeschichten erwünscht!

 

Sie ist jung, sie ist muslimisch, sie ist Bürgermeisterin. Im Mai gewann die 32-jährige Hatice Kara für die SPD die Bürgermeisterwahl in Timmendorfer Strand – eine Sensation in dem schleswig-holsteinischen Urlaubsort, der sonst als CDU-Hochburg gilt. Durch eine engagierte Kampagne hatte Hatice Kara sich Sympathien und Stimmen der Bürger gesichert.

 

Nach ihrem Wahlsieg stürzten sich die regionalen und überregionalen Medien auf sie, feierten die Rechtsanwältin und neue Bürgermeisterin als Paradebeispiel gelungener Integration. Jeder Artikel erwähnte, dass sie muslimisch ist, dass sie in der Türkei geboren wurde. Hatice Kara kam als Säugling mit ihren türkischen Eltern nach Schleswig-Holstein, wuchs in Rendsburg auf, studierte, wurde Anwältin. Jetzt ist sie Bürgermeisterin in einem Städtchen, wo kaum Familien mit Migrationshintergrund leben. Natürlich ist das gelungene Integration, natürlich berichtet die Presse über diese Erfolgsgeschichte. Natürlich muss das Hatice Kara nerven.

 

In Zeitungsartikeln und Radiointerviews betont die junge Bürgermeisterin, sie wolle nicht immer auf ihre Herkunft reduziert werden. Auch habe ihre Religion einen geringen Stellenwert in ihrem Leben – so wie bei den meisten Deutschen auch. Anfangs habe sie daher Fragen zu diesem Thema zurückgewiesen. Sie wollte nicht ständig über Integration, Migration und Islam reden müssen. Hatice Karas Fall wirft eine interessante Frage auf: Müssen erfolgreiche Migranten(kinder) sich immer als Positivbeispiel präsentieren lassen?

 

Diese Frage beschäftigte mich mehrere Wochen lang, ohne dass ich zu einer Lösung kam. Dann stiegen die Außentemperaturen und ich tat das einzig Vernünftige: Ich grillte mit Freunden. Beim Würstchenbrutzeln kam das Gespräch über Umwege auf interkulturelle Partnerschaften: Wie würde die eigene Mutter reagieren, wenn man einen türkischstämmigen Partner nach Hause brächte? Und würden türkische Eltern eine emanzipierte deutsche Schwiegertochter akzeptieren? Schließlich sei das ja mit dem Frauenbild immer so eine Sache bei den Türken.

 

Meine Freunde sind, so denke ich, offene und freundliche Menschen. Sie sind nicht ausländerfeindlich, sie sind nicht rassistisch. Dennoch haben sie wie jeder Mensch Ängste und Sorgen. Sie haben Vorbehalte vor dem, was sie nicht kennen. Schließlich gebe es viele solcher Geschichten: die Arbeitskollegin, deren muslimischer Freund jetzt eine Türkin heiraten muss. Ein deutsch-türkisches Paar trennt sich und plötzlich ist der Mann weg mit dem Kind. So etwas passiere doch.

 

Was bedeutet das für erfolgreiche Deutsche mit Migrationshintergrund? Ich finde, sie sollten sich nicht gegen die Berichte über ihre gelungene Integration wehren. Denn es ist so wichtig, dass nicht nur Horrorgeschichten und Negativbeispiele den Weg ins öffentliche Bewusstsein finden. Auch über die Erfolgsgeschichten muss berichtet werden – nur so können Berührungsängste abgebaut werden. Das habe sie mittlerweile auch eingesehen, sagt Hatice Kara.

 

 

Sonje Schwennsen

Freie Journalistin

(Stipendiatin der Journalisten-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung)